Kalorische Wärmepumpen: Festkörper statt Fluid
Weltweit wird seit Jahrzehnten an kalorischen Heiz- und Kühlsystemen geforscht, die weder Kompressor noch flüssige Kältemittel benötigen. Diese Systeme basieren auf magneto-, elasto- bzw. elektrokalorischen Materialien.
Diese Materialien erwärmen sich stark beim Anlegen eines entsprechenden Feldes: Bei magnetokalorischen Materialien legt man ein Magnetfeld an, bei elektrokalorischen Materialien ein elektrisches Feld und bei elastokalorischen Materialien eine mechanische Kraft. Dieser Erwärmungseffekt ist umkehrbar und lässt sich daher für den Aufbau eines Kühlkreislaufs bzw. einer Wärmepumpe nutzen: Dazu wird das erwärmte Material mit einer Wärmesenke verbunden, um die entstandene Wärme abzuführen. Danach wird es mit dem zu kühlenden Medium in Verbindung gebracht und das Feld entfernt. Dadurch sinkt die Materialtemperatur und Wärme wird vom zu kühlenden Medium aufgenommen.
Vorhersagen machen Hoffnung, dass kalorische Wärmepumpen die Effizienz konventioneller, kompressorbasierter Systeme übersteigen können. Auch kann potentiell auf klimaschädliche Kältemittel verzichtet werden. Materialforscher, Physiker, Wissenschaftler aus den Bereichen Elektro- und Messtechnik wie auch aus anderen Disziplinen kümmern sich heute um die erfolgversprechenden Schritte in Richtung Anwendung.
Physikalische Erklärung
Was mit kalorischen Materialien in Feldern passiert, lässt sich physikalisch erklären: Bringt man ein magnetokalorisches Material wie Lanthan-Eisen-Silizium in ein Magnetfeld, dann ordnen sich die normalerweise ungeordneten magnetischen Momente parallel zum Feld aus. Dadurch steigt die Ordnung im Material – man sagt: der Entropiegehalt sinkt. Nun geht nach dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik keine Entropie in einem geschlossenen System verloren, d. h., eine andere Struktur im Material muss die durch die Magnetisierung verringerte Entropie auffangen. Diese Struktur ist das Kristallgitter, es beginnt zu schwingen – das Material erwärmt sich. Analog lässt sich der elastokalorische Effekt erklären: Hier wird durch eine angelegte mechanische Kraft die Kristallstruktur einer Formgedächtnislegierung verändert und es passiert das gleiche: Der Entropiegehalt des Materials sinkt, und das Kristallgitter beginnt zu schwingen und erwärmt das Material.
Beispiel Elastokalorik: latente Wärmeübertrag erhöht Effizienz
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Fraunhofer IPM erzielten im Labor beim Anlegen eines Drucks von 750 Megapascal an Nitinol-Stäben eine Temperaturdifferenz von 15 Kelvin. Entscheidend für die Leistungsdichte und auch für die Effizienz einer elastokalorischen Wärmepumpe ist jedoch der Wärmeübertrag zwischen elastokalorischem Material und Wärmeübertragereinheit. Gängige Konzepte realisieren diesen durch aktives Pumpen eines Fluids. Der Nachteil: Das Pumpen verringert die Systemeffizienz und limitiert die Zyklusfrequenz des Systems auf wenige Hertz. Mit dem Konzept des latenten Wärmeübertrags verfolgt Fraunhofer IPM erstmalig einen passiven Ansatz, der bereits in Heatpipes oder Thermosiphons genutzt wird. Der Wärmeübertrag wird über Verdampfen und Kondensieren eines Fluids, etwa Wasser oder Ethanol, (latent) realisiert. Das Fluid befindet sich in einem hermetisch abgeschlossenen, von allen Fremdgasen befreiten Rohr und liegt sowohl in flüssiger als auch in gasförmiger Form vor.
Der Wärmeübergangskoeffizient beim Verdampfen erreicht Werte bis 100 Kilowatt und ist somit um Größenordnungen höher als bei klassischen Systemen. Einzelne elastokalorische Segmente werden in Reihe geschaltet und als thermische Dioden konzipiert, so dass Wärme segmentweise in eine Richtung transportiert und jeweils eine Seite des Segments gekühlt, die andere erwärmt wird.
Wohin geht die Reise?
Erste Abschätzungen zeigen, dass der Transport von einem Segment zum nächsten innerhalb von Millisekunden erfolgen kann, sodass das System mit einer Frequenz von über 10 Hertz betrieben werden kann.
Die patentierte Kombination von latentem Wärmeübertrag und thermischer Diode in einer elastokalorischen Wärmepumpe verspricht eine hohe Pumpleistung sowie eine hohe Effizienz. Demonstratoren liefern bereits vielversprechende Ergebnisse. Doch bis zur tatsächlichen breiten Anwendung kalorischer Wärmepumpen sind noch viele Detailfragen zu klären. Fraunhofer IPM arbeitet Schritt für Schritt daran, die kalorische Wärmepumpe Wirklichkeit werden zu lassen
Druck erzeugt Wärme: Werden elastokalorische Materialien verformt, so erwärmen sie sich. Dieser reversible Effekt lässt sich für den Aufbau von Wärmepumpen nutzen.
Der elastokalorische Effekt
wurde bereits im frühen 19. Jahrhundert beim schnellen Dehnen und Loslassen von indischem Gummi beobachtet. Etwa fünfzig Jahre später berichtete der Physiker J. P. Joule von kleinen reversiblen Temperaturänderungen in Metallen und Holz, hervorgerufen durch Krafteinwirkung. Erst in den 1980er Jahren wurden Studien zu latenter Wärmeentwicklung und damit verbundenen Temperaturänderungen in NiTi und Cu-basierten Materialien durchgeführt.