SCIENTISTS FOR FUTURE

Die Wissenschaft gesteht ein: Die Aktivitäten von Fridays for Future waren für sie der Weckruf, ebenfalls aufzustehen und gegen die schleichende Vergiftung der Atmosphäre mit Kohlendioxid zu demonstrieren. Nicht mit Protesten auf der Straße, sondern flankierend: mit gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen als Basis dringender Empfehlungen an die Politik wie auch an den Bürger, mit wirksamen Maßnahmen die globale Erwärmung mit ihren Folgen in Schach zu halten.

Die Gelehrten aus unterschiedlichen Disziplinen von Lehre und Forschung haben sich für diese Aufgabe in Scientists for Future organisiert. Diesem lockeren Verbund gehören mittlerweile mehr als 27 000 Mitglieder aus dem deutschsprachigen Raum an.

Eines der Gesichter von Scientists for Future ist Prof. Dr.-Ing. Volker Quaschning, Hochschullehrer und Elektrotechniker, der in der Photovoltaik promoviert hat und über ein eigenes Informationsportal mit Kommentaren, Berichten und Analysen zur Energiewende beitragen will.

BWP: Herr Quaschning, wir haben in Deutschland eine Million Wärmepumpen installiert. Sehr weit bringt uns das aber noch nicht zur Klimaneutralität. Was ist zu tun?

Quaschning: Wir müssen zunächst schauen, dass wir die ausreichende Menge an erneuerbaren Energien bekommen, um überhaupt klimaneutral werden zu können. Das ist das Thema Nummer eins. Das heißt, wir brauchen einen sehr beherzten Solar- und Windenergieausbau. Und damit müssen wir endlich anfangen. Das Pariser Klimaschutzabkommen ist ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen. Wir können es nicht permanent mit Füßen treten. Leider sind wir schnell dabei, Ziele zu formulieren, aber nicht zu handeln. Klimaneutral zu werden heißt, dass wir spätestens in 15 oder 20 Jahren kein Gas, keine Kohle, kein Öl mehr verbrennen dürfen.

Kein Gas – Einige sagen, man könnte grünes Gas herstellen, also auf Basis von Wasserstoff.

Diese Rechnung geht nicht auf. Die Herstellung von Wasserstoff ist extrem ineffizient. Und sie setzt voraus, dass uns Strom und Wind signifikante Überschüsse liefern, die dann preiswert in Gas umgewandelt werden können. Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Deswegen scheidet aus meiner Sicht, dort wo es Alternativen gibt, die Gasheizung aus.

Die Bundesregierung präferiert mit ihrer Wasserstoffstrategie neben dem grünen Strom aber auch den Wasserstoff.

Ja, aber das wird nicht funktionieren. Bisher hat sie dem Bürger noch nicht die Rechnung präsentiert. Sie hat ihm nicht gesagt, in den nächsten Jahren wird deine Gasrechnung drei Mal höher sein. Nein, der Wasserstoff-Weg ist nicht der Weg, der zur Klimaneutralität in kurzer Zeit führen kann. Deswegen werden wir uns auch massiv für die Wärmepumpe einsetzen.

Im Moment sieht es so aus, dass auch viel Geld in die andere Richtung fließen wird. Bei Scientists for Future machen im deutschsprachigen Raum rund 30 000 Wissenschaftler mit. Hat die Wärmepumpe 30 000 Lobbyisten?

Wissenschaftler sind Individualisten. Und natürlich vertreten einige auch eine andere Meinung. Wasserstoff reizt wegen der Milliarden, die dafür angekündigt sind. Wenn der Staat Unterstützung für eine bestimmte Richtung ausschreibt, dann forscht man halt auch in diesem Bereich. Prinzipiell macht es auch Sinn, weil wir das Gas durchaus brauchen, zum Beispiel für die Langzeit-Stromspeicherung, für die Stahlherstellung in der Industrie, also für Prozesse, wo Gas alternativlos ist.

Welchen Druck kann die Wissenschaft ausüben?

Was können wir machen? Wir können eigentlich nur aufklären. Das ist die wesentliche Rolle der Wissenschaft. Wenn alle Menschen die Zusammenhänge verstanden haben, wird die Politik nicht mehr am Klimaschutz vorbeikommen. Der Druck durch den Klimawandel wird ja zunehmend größer.

Den Druck und die Reaktionen darauf beschrieben Sie kürzlich mit dem lodernd brennenden Haus, in das die Feuerwehr ein Glas Wasser kippt.

Das ist nicht nur ein Bild, das ist die Realität. Schauen Sie doch nach Kalifornien, schauen Sie nach Australien. Wenn die Regierung wirklich ernst machen will, muss sie die besten Ingenieure heranziehen und sagen, macht ein Konzept, das wir in den nächsten 15 Jahren umgesetzt bekommen. Und dann muss man es einfach umsetzen. Das Geld dafür wäre da.

Wegen der Corona- Krise werden jetzt hunderte von Milliarden Euro verteilt. Wenn wir wollen, werden wir auch den Aufbau einer klimaverträglichen Energieversorgung in Deutschland bezahlen können. Nur ziehen Politik und Bevölkerung momentan nicht mit. Dänemark hat es im Wärmebereich vorgemacht, Holland und Norwegen sind dabei, es zu ändern.

Erledigt sich nicht die ganze Diskussion von selbst? Wegen des biologischen Endes der fossilen Öl- und Gasvorräte, das für 2080 oder 2090 vorausgesagt ist.

Ich denke, dass Ende dieses Jahrhunderts aus Kostengründen Öl und Gas keine Rolle mehr spielen werden. Nur: Dann ist es zu spät für den Klimaschutz. Und die Ressourcen an Kohle sind zudem noch gigantisch. Die reichen für einige hundert Jahre. Damit würden wir das Klima komplett ruinieren.

Übrigens Stichwort Klima ruinieren, da hat die Heizungsindustrie selbst noch Hausaufgaben zu machen. Was mich schon seit Jahren bei der Wärmepumpe stört, ist die Verwendung von klimaschädlichen Kältemitteln, und zwar im großen Umfang. Die Branche bewegt sich hier nur sehr träge. Es gibt genügend Alternativen ohne oder mit nur einem ganz geringen Treibhauseffekt. Sie sind aufwendiger und teurer, ja, aber daran geht kein Weg vorbei, wenn die Wärmepumpe aus Klimaschutzgründen große Marktanteile gewinnen will.